Über den Charakter:
Vásniel ist in elfischen Maßstäben ein relativ junger Lindil, der mit seinen 110 Jahren erst vor kurzem die Adoleszenz hinter sich gelassen hat. Mit seinen knapp 1,80m ist er unter seinesgleichen auch eher Durchschnitt, gleichermaßen ist seine Statur der Physis seines Seelentiers - dem Bären - ähnelnd eher atheletisch. Die mandelförmigen Augen sind von moosgrüner Farbe, die Haare, oft mit Federn und Lederbändern verziert, von eher unscheinbarem Dunkelbraun, im Nacken mit einem Lederriemen zusammengefasst. Gekleidet ist er eher pragmatisch, Tunika und Hose aus braunem Wildleder, genau wie auch die nur dünnbesohlten Stiefel, um den Boden besser unter den Füßen zu spüren. Ein grüngefärbter Umhang mit Kapuze aus weicher Wolle, um nächtlichen Frost abzuhalten, vollendet das Auftreten des Elfen, der meist mit dem selbstgefertigtem Bogen in der Hand anzutreffen ist. Charakterlich ähnelt Vásniel seinem Seelentier: Mal sanft und verspielt, zu Jux und Tollerei neigend, dann wieder ernst und bereit, ohne ein Wimpernzucken zu töten, falls es notwendig sein sollte. Gleichermaßen neigt er gelegentlich zu Schwermut, der ihn wie eine frostige, nächtliche Brise erfasst, um dann aber kurz darauf vom Licht des Tages vertrieben zu werden.
Charstory:
Das Licht der Sonne stieß in goldenen Lanzen durch das Blätterdach der mächtigen Eiche und tauchte die dunstigen Schwaden des Nebels in ein diffuses Spiel aus Licht und Schatten. Wann immer der Wind raschelnd durch die vom Sonnenlicht smaragdgrün illuminierten Blätter fuhr, schienen schattenhafte Gestalten durch den Nebel zu wandern. Wölfe, die im Rudel gemeinsam der Beute nachjagten, ein großer, starker Hirsch der sein vielendiges Geweih stolz und erhaben dem Betrachter zuwandte, ehe er mit mächtigen Sätzen davonsprang - doch zuletzt waren es immer wieder die gleichen Gesichter, die der junge, kaum mehr als 100 Jahre alte Elf zu sehen glaubte. Verwandte, Bekannte, Freunde. Sie alle schienen ihn anzublicken, ein dünnes, doch trauriges Lächeln auf den Lippen. Ein Nicken, um dann vom Nebel verschlungen zu werden, wieder eins zu werden und für immer zu verschwinden. Bittere, salzige Tränen perlten aus den Augenwinkeln, rannen Vásniel über die grünen Wangen. Ihre Trauer kam nicht aus ihrem Inneren, nein, sie war nur ein Echo seiner Selbst. Warum hatten sie die Gestade Gerimors verlassen, waren in schlanken Schiffen davongesegelt, hatten ihn allein gelassen? Mit zarten, feingliedrigen Finger griff er sich an den Bauch, spürte die Leere in sich wie einen alles verschlingenden Strudel aufsteigen. Trauer, die rasch in Schmerz kummulierte, ein heiserer Schrei auf den Lippen, die Frage nach dem 'Warum' wie ein tobender Orkan in den Gedanken.
Dann aufeinmal ein neues, letztes Gesichterpaar im Nebel. Iúlon und Narwel. Vater und Mutter.
Beide wieder ein Lächeln auf den Lippen, doch diesmal ohne Trauer in den Augen. Sie nickten ihm zu, silbriges Haar fiel wie ein Schleier aus Spinnenseide über Schultern und Tunika, ein Flüstern in den Gedanken, "Du bist nicht allein, du wirst es niemals sein. Vásniel...".
Verblassen der Eltern im Nebel, an ihrerstatt eine Gestalt mit Schwingen aus goldenem Licht – ein massiger Bär, der ihm für einen Augenblick das Haupt zuzuneigen schien, ehe er mit einem Satz und voran gerecktem Haupt direkt in Vásniels Brust zu versinken schien. Der Schmerz verebbte, wich einem wohligen Gefühl der Ruhe, die sich mit prickelnder Wärme in seinem ganzen Leib ausbreitete. Erwachen.
Vásniel schlug die Augen auf, spürte auf der Wange noch Reste der Tränen, die er im Schlaf vergossen haben musste. Über ihm das mächtige Blätterdach der Eiche, unter der er sich in ein Bett aus Moos die Nacht zuvor schlafen gelegt hatte. Licht, anders als im Traum aber zart und unverbraucht, stieß vereinzelt durch die Blätter, tauchte die Schwaden des Morgennebels in silbrigen Schimmer. Traum und Realität hatten sich wieder einmal vermischt, hatten ihm eine Wahrheit enthüllt, die ihn nun schon seit vielen Jahreszyklen begleitete. Ein Rascheln im Gebüsch und ohne in die enstprechende Richtung zu blicken, wusste Vásniel, dass seine Augen auf einen braunbehaarten Rücken gefallen wären. Ein kurzer Gruß an den Eledhrim, der irgendwie Teil der "Familie" war, gelegentlich mit einem von ihnen jagte - sei es nach Wild oder nach Fischen oder Beeren - und dann doch wieder seiner Wege ging. Aber niemals wirklich allein war.
Die feingliedrigen Finger des jungen Elfen gruben sich tief ins Moos, als dieser den Kopf in den Nacken legte und ein letztes Mal zum Blätterdach der wuchtigen, jahrhunderte alten Eiche aufblickte, sich am Tanz der Lichtpunkte auf den Blättern erfreute, ehe er mit einem tiefen Atemzug die würzige, noch kühle Waldluft in die Lungen sog und sich in einer fließenden Bewegung aufrichtete. Der Blick aus dem moosgrünen, mandelförmigen Augenpaar schweifte über die mittlerweile sonnendurchflutete Lichtung, in dessen Mitte sich, wie in einem Thronsaal, königlich die uralte Eiche erhob, und sog jedes Detail in sich auf:
Die letzten Reste des Nebels begannen sich rasch aufzulösen, allein im nahen Dickicht des Waldes würden sie den Tag überdauern. Bienen und andere Insekten summten über die blumengetränkte Wiese, die die Lichtung erfüllte, und begannen ihr eifriges Tageswerk. Die Luft war erfüllt vom schweren, würzigen Geruch der Erde und des nahen Waldes, vermischt mit den zarten Düften der Blumen – ein Bouquet, dass ihn stets aufs Neue berauschte. Noch ein weiteres Dutzend Herzschläge ließ Vásniel die Ruhe der Szenerie auf sich wirken und erfreute sich an der wärmenden Kraft der Harmonie, die ihr inne lag, ehe er sich zur Seite beugte um den kleinen Ranzen aus Wildleder aufzuheben, der seine sonstige Ausrüstung enthielt, und solcherart auf den Rücken zu binden, dass er wie eine Erweiterung seines Körpers war – keine Riemen, die sich im Dickicht verheddern und keine unnötige Last, die seine Bewegungen einschränken könnte. Das schmale Jagdmesser aus rasiermesserscharfem Feuerstein am Oberschenkel festgebunden, und zuletzt den Bogen in die Hand – die Sehne nur halb eingehängt und um den Wurfarm gewickelt, um die Spannkraft nicht zu mindern: zwei Lagen Eschen- und Ulmenholz, mit Harz aneinandergeleimt und in der Mitte mit Rindenbast umwickelt. Die Ersatzsehnen griffbereit im Beutel am Gürtel.
Mit einem zufriedenen Nicken quittierte Vásniel die Adjustierung seiner Ausrüstung; seine letzten Streifzüge hatten ihn nahe an den Rand des Waldes gebracht und ein wortloses Flüstern über Eindringlinge ging umher - man konnte nicht vorsichtig genug sein und niemals würde er eine Schändung des Forstes tolerieren. Aber zuerst galt es den knurrenden Magen zu füllen und ein Lindil war niemals lange hungrig, wenn er die Zeichen des Waldes zu lesen vermochte.
Hinweise, die ein kundiges Auge zu erkennen vermochte: Einige umgeknickte Halme, ein gebrochener Ast, ein Abdruck im feuchten, leicht sumpfigen Erdreich - noch kaum mit Wasser gefüllt und bestimmt nicht älter als einige Minuten. Schon seit einiger Zeit folgte Vásniel geduldig den Spuren des Hirsches, auf die er auf seinem Streifzug gestoßen war. Es musste sich um einen kapitalen Bullen handeln, der heute durch den geschickten Jäger den Tod finden sollte. Ungewöhnlich war allein, dass sich ein solches Tier so nahe an den Rand des Nebelwaldes wagte. Vielleicht spürte es sein nahendes Ende und hatte sein angestammtes Revier verlassen, um hier durch die Hand des Lindil den Tod zu finden, ihn mit seinem Fleisch zu nähren, ihm neue Sehnen für den Bogen zu schenken, die Haut zu geben, aus dem sich der Elf ein neues Hemd flicken könnte. Nichts würde verschwendet werden und so würde sein Tod weiter Leben sichern - dies war der Kreislauf, dem sich alles unterordnen musste.
Weitere Überlegungen waren obsolet, denn gerade als Vásniel sich behutsam unter einem tiefhängenden Ast duckte, erspähte er keine zwei Dutzend Schritt entfernt auf einer Lichtung den Hirsch: die mächtigen Nüstern blähten sich, das Haupt stolz erhoben, das Geweih mindestens ein Zwölfender. Obwohl das Tier direkt in seine Richtung blickte, schien es den grün-/braungewandten Elfen mit seiner grünen Haut nicht wahrzunehmen; der Wind stand günstig, wehte dem Lindil das moschushaltige Aroma des Tierschweißes zu. Langsam, sich zu keiner aprupten Bewegung hinreißen lassend legte er einen Pfeil in den zuvor bespannten Bogen ein, hob ihn langsam an, während er sich gleichzeitig ein wenig in die Hocke sinken ließ, um ungehindert von den tief herabhängenden Fichtenästen ein ungehindertes Schussfeld zu haben. Die Wurfarme knirschten leise, als die Sehne stramm gezogen wurde, dass Ziel aus leicht zusammengekniffenen Augen anvisiert wurde. Der Herzschlag des Elfen verlangsamte sich, die Atmung wurde ruhig und gleichmäßig und das Rauschen des Blutes im Ohr schien eine ganz eigene Melodie anzustimmen, die von Leben und Tod gleichermaßen kündete. Dann, aufeinmal, drehte sich der Wind und mit einem Ruck starrte der Hirsch dem Jäger direkt in die moosgrünen Mandelaugen. So viel Stärke, so viel Schönheit. Und dann sah der Elf, was den Hirsch aus seinem Revier aufgescheucht haben musste: Eine Wunde am Rücken, nicht tief, nur eine Schramme, aber doch auffallend länglich, gewiss nicht natürlichen Ursprunges. So jagte kein Eledhrim - und wieder erinnerte sich Vásniel an die Kunde über Eindringlinge. Mit einem Ruck ließ er den Bogen sinken und just in diesem Augenblick, als hätte der Elf ein stummes Signal ausgesendet, setzte der Hirsch mit mächtigen Sprüngen davon und verschwand nur Augenblicke später im Dickicht. Ein Leben geschenkt, ein Leben genommen. Anstatt des Hirsches würde der Elf nun Jagd auf die Eindringlinge machen, die scheinbar in blinder Wut auf alles eindroschen, was ihnen vor die Klinge lief. Dies würde nicht toleriert werden, der Nebelwald würde beschützt werden...
